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Ich sitze am Fenster, schaue nach draußen. Ein merkwürdiges Gefühl überkommt mich. Lässt mich nicht mehr los. Kann das alles wahr sein? Ist das unsere Realität? Unsere neue Welt? Die Welt von morgen?! Ich schlucke schwer und blicke weiter hinaus. Hinaus auf die leere Straße. Kein Mensch weit und breit. Keine spielenden Kinder, keine geschäftigen Leute. Alle sind sie im Inneren ihrer Wohnungen, ihrer Häuser. Und das, obwohl es gerade Frühling geworden ist und die Natur erwacht. Die Sonne scheint, kein Wölkchen am Himmel. Das Thermometer zeigt wohlige 22°C. Und trotzdem sitzen wir alle drinnen. Vögel fliegen emsig hin und her, der Bussard zieht seine Kreise auf der Suche nach Nahrung. Alles scheint ganz normal, doch fehlen die Menschen. Nur scheint es der Erde nichts auszumachen. Dreht sie weiter ihre Bahn um die Sonne und gleichzeitig um sich selbst. Hierfür werden wir nicht gebraucht.

Ich schaue hinüber zum Nachbarhaus. Eine Bewegung hinter der Gardine, ein Schatten am Fenster. Sie leben also auch noch, existieren weiter. In ihrer eigenen Welt, isoliert von ihren Mitmenschen. Ich schließe die Augen und hoffe, dass dieser Spuk vorbei ist, wenn ich sie wieder öffne. Dass alles nur ein böser Traum war. Doch leider ist dem nicht so. Niemand da, der mich wecken könnte, denn dieser Alptraum ist Realität. Und trotzdem hoffe ich jeden Abend, wenn ich schlafe gehe, dass morgen alles wieder normal sein möge. So wie früher. Aber der nächste Tag bringt die Normalität auch nicht wieder zurück. Mein Radio weckt mich pünktlich zu den Nachrichten und verkündet wieder nur von neuen Infektionen und weiteren Todesfällen. Die Zahlen steigen immer weiter und die Menschen entfremden sich immer mehr. Die letzten Begegnungen waren schon fast feindlich, man beäugt sich misstrauisch. Bist du die Person, die mir den Tod bringen wird? Man geht sich großzügig aus dem Weg, macht einen großen Bogen um Fremde und wechselt freiwillig die Straßenseite. Bloß niemanden zu nahe kommen, bloß niemandes ausgeatmete Luft einatmen. Man sieht in jedem den unsichtbaren Feind, der wissentlich oder unwissend die Seuche über uns bringt. Es ist wahrlich keine schöne Zeit. Waren wir letzte Woche noch eine Welt, in der die sozialen Kontakte und des Miteinander im Vordergrund standen, geht es heute um Isolation und Abstand halten. Als hätten wir alle Gift an uns und unseren Händen. Letztendlich sind es immer unsere Hände, die den Tod bringen. Ob sie nun eine Waffe abfeuern, ein Messer schwingen oder ein tödliches Virus übertragen. Nur dass Letzteres aus Unwissenheit und Unvorsichtigkeit geschieht. Aus diesem Grund halte auch ich Abstand zu meinen Mitmenschen und bleibe im Haus. Damit ich nicht ungewollt andere gefährde oder gar töte.

Und so sitze ich auch heute wieder am Fenster und blicke hinaus. Heute hängen schwere, graue Wolken am Himmel. Kein Vergleich zu gestern. Aber im Moment ist jeder Tag ungewiss und niemand weiß, was er bringen mag. Es regnet und ich beobachte wie die Tropfen an der Scheibe hinab laufen. Jede ganz für sich alleine, in ihrem eigenen Tempo. Nur wenn sich zwei treffen und zu einem Tropfen verschmelzen, werden sie schneller und kommen eher an ihr Ziel. Sollten wir uns daran nicht auch ein Beispiel nehmen? Auch jetzt, in dieser merkwürdigen Zeit dürfen wir nicht vergessen, dass Gemeinschaft wichtig ist und wir nur durch Gemeinschaft so weit gekommen sind. Dies dürfen wir nie vergessen, auch wenn wir in nächster Zeit unsere Wege alleine gehen müssen. Im Herzen bleiben wir immer vereint, ein Leben lang.

Und so beobachte ich weiter den Regen, der für uns weint und die Straßen reinigt. Und ich hoffe immer weiter auf ein besseres Morgen. Und ich weiß, irgendwann nach dem Regen wird die Sonne auch wieder scheinen. Irgendwann. Irgendwann wird die Welt auch wieder so sein, wie wir sie keinen und lieben. Irgendwann. Oder wird die Welt doch nicht mehr die gleiche sein? Irgendwann werden wir es wissen. Vielleicht früher oder vielleicht später. Früher als es uns lieb ist oder später, wenn alles schon zu spät ist.

Aber auf jeden Fall, wird es irgendwann so weit sein. Irgendwann...

© 2020 by Merci

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