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"Du hast die Augen eines Killers!" - Das sagte meine Mutter immer. Als kleines Kind musste ich mir diesen Satz jeden Tag anhören. Ich fragte meine Mutter immer wieder, wieso sie mich nicht lieben könne. Wieso sie mich nie ansehen konnte und meinem Blick immer sofort auswich.

"Du hast die Augen eines Killers!" - Das war ihre Antwort. Meine Mutter hatte Angst vor mir! Angst vor ihrem eigenen Fleisch und Blut. Und das schon von dem Moment an, als die Hebamme mich in ihre Arme gelegt hatte. Sie hatte Angst vor mir. Sie hatte mich von da an verstoßen und behandelte mich stets ablehnend. Als Kleinkind hatte ich sehr darunter gelitten. Ich konnte nicht verstehen, wieso sie mir keine Zuneigung schenkte. Keine Aufmerksamkeit und keine Liebe! Im Kindergarten beobachtete ich verbittert, wie liebevoll andere Mütter ihre Kinder behandelten. Wie ihre Augen strahlten, vor Glück, vor Liebe und vor Stolz. Doch die Augen meiner Mutter waren immer nur voller Angst!

"Du hast die Augen eines Killers!" - Dieser Satz hatte sich in mein Gehör gebrannt. Ich hörte ihn Tag und Nacht. Es war wie ein Ohrwurm. Sobald alles um mich herum leise war und keine anderen Laute mehr an mein Ohr drangen, konnte ich die Stimme meiner Mutter hören. Wie sie diesen Satz immer und immer wieder sagte. Manchmal klang ihre Stimme ängstlich, flehend oder weinend. Manchmal schrie sie oder war verbittert. Aber nur ganz selten klang ihre Stimme in meinem Kopf traurig oder auf der Suche nach einer Entschuldigung.

"Du hast die Augen eines Killers!" - Ja, meine Augen waren wirklich etwas Besonderes. Sie waren dunkel. Richtig dunkel, fast kohlrabenschwarz. Auf den ersten Blick starrten sie einen nur finster an. Man musste schon ganz genau hinsehen, um die Maserung darin erkennen zu können. Aber das trauten sich leider nur die wenigsten. Mein Blick wirkte intensiv, schien sich tief in die Seele zu brennen und die Geheimnisse des Gegenübers ans Tageslicht befördern zu wollen. Während meinen Augen dabei nicht das Geringste über mich verrieten. Meine Augen lachten nicht. Sie blickten sachlich, voll konzentriert und kalt. Dieser Blick, dem kaum ein anderer Mensch lange standhalten konnte, hatte meine Mutter in den Wahnsinn getrieben. Dieser Blick hatte mich zur Einsamkeit verdammt. Aber wie konnte ich von einem Fremden erwarten, dass er mir vertrauen oder mich gar lieben könne, wenn es die eigene Mutter nicht gekonnt hatte?

"Du hast die Augen eines Killers!" - Jede Nacht verbarrikadierte sich meine Mutter in ihrem Schlafzimmer. Sie schloss die Tür ab und klemmte noch die Lehne eines Stuhls unter die Türklinke. Wie viele Nächte stand ich weinend vor dieser Tür, wenn ich einen Alptraum hatte? Wie viele Nächte flehte ich bitter um Einlass und Trost? In wie vielen Nächten wurde ich ignoriert oder mit großer Furcht in der Stimme weggeschickt? Dabei wollte ich ihr niemals wehtun! Ich bettelte doch nur um ihre Liebe. Um die Liebe einer Mutter für ihr Kind! Doch diese Liebe besaß meine Mutter nicht. Als hätten meine Augen ein Loch in ihr Herz gebrannt und die Liebe gegen Hass und Furcht getauscht. Manchmal beobachtete ich sie aus weiter Ferne. Sie schien sich nur wohl zufühlen, wenn ich nicht in ihrer Nähe war. Doch ich war noch ein Kind! Wo sollte ich denn hin? Zu meinem Vater? Er verschwand einen Tag nach meiner Zeugung. Meine Mutter schwor, er sei der Teufel gewesen, auch wenn die Farbe seiner Augen aus dem schönsten und klarsten Blau dieser Welt gewesen war. So wie es meine Mutter mir oft genug vorgehalten hatte.

"Du hast die Augen eines Killers! - Ganz anders als die Augen deines Vaters. Hättest du nur diese Augen, dann könnte ich dich auch lieben!" Harte Worte für ein Kind! Irgendwann wuchs der Zorn in mir. Meine Mutter hatte es nicht einmal versucht! Sie versuchte gar nicht erst, mich zu lieben oder sich an meine Augen zu gewöhnen. Dabei hätte sie auch die Schönheit darin erkennen können. So wie auch ich sie irgendwann darin entdeckt hatte. Nach langer Suche fand ich sie dann endlich und mit ihr die Lösung für meine Einsamkeit! Eine lange Zeit hatte ich nur versucht, meine dunklen Augen zu verstecken. Erst hinter großen Sonnenbrillen und später, als ich dann älter war, hinter farbigen Kontaktlinsen. Eine Zeit lang hatte dies auch wirklich gut funktioniert. Aber irgendwann kam es mir vor, wie ein Verrat an meiner Persönlichkeit. Ein Verstecken und Täuschen!

Von da an begann ich, mir selbst in die Augen zu sehen. Ich forschte tief in meinem Blick und mit der Zeit schienen meine Augen ihre Boshaftigkeit und Kälte zu verlieren. Mit einem Mal konnte ich mich darin verlieren und mir selbst in die Seele blicken. Trotz allem war meine Seele rein und ich konnte nichts Böses darin erkennen. Keine Wut und keinen Hass. Ich sah nur verborgene Einsamkeit und tiefe Trauer. Aber darunter lag die gesamte Schönheit meiner Seele. Sie musste nur entdeckt werden! Und mit dem Ändern des Blickwinkels hatte ich sie letztendlich auch gefunden!

Nachdem ich mich selbst in meinem Blick gefunden hatte, kamen mir alle hässlichen Beschuldigungen meiner Mutter wie böse Lügen vor. Ich sah in meine Augen und entdeckte ein Funkeln. Ein mystisches Leuchten! Es erhellte meinen Blick und erleuchtete mich. Ich strahlte plötzlich eine echte Freude aus und meine Augen lachten vor Glück. Ich empfand eine tiefe Zufriedenheit und in dieser Sekunde hatte ich sogar meiner Mutter verziehen. Alles war vergessen und verziehen. Ich fühlte mich geliebt und zum ersten Mal im Einklang mit mir selbst.

Mit einem Poltern fiel das Messer zu Boden und ließ mich plötzlich aus meiner Trance erwachen. Ich stand im Wohnzimmer und zu meinen Füßen lag ein blutverschmiertes Messer. Ich schaute auf und sah Blut an meinen Händen. Während ich mich selbst in meinem eigenen Blick verloren hatte, war ich in die Küche gegangen und hatte mir ein Messer geholt. Leise hatte ich mich an meine Mutter herangeschlichen, die friedlich auf der Couch gesessen und in Ruhe ein Buch gelesen hatte. Sie hatte meine Anwesenheit gar nicht wahrgenommen, während ich mich von hinten über sie gebeugt und ihr mit einem präzisen Schnitt die Kehle aufgeschnitten hatte. In dem Moment, als sie ihren letzten Atemzug nahm, hatte ich ihr verziehen. Mit meinen dunklen Augen hatte ich die Seele meiner Mutter in mir aufgesaugt. Sie war das mystische Leuchten gewesen, das ich in meinen Augen entdeckt hatte!

Ich hob das Messer auf und lief damit ins Badezimmer. Ich schaute in den Spiegel, blickte tief in meine Augen und versuchte zu verstehen, was soeben im Wohnzimmer geschehen war. Ich bemerkte nicht, wie alles um mich herum verschwamm. Tief in meinen Augen suchte ich nach einer Erklärung, doch ich konnte keine finden. Erst jetzt spürte ich das Messer in meiner Brust. Tief in meinem Herzen. Ich blickte auf, ein letzter Blick in den Spiegel. Ein letzter Blick in meine Augen. Meine Pupillen waren das Letzte, was ich sah und sie waren gar nicht mehr schwarz. Sie waren weiß! Ein reines, helles, leuchtendes, klares Weiß. Ich sackte zusammen und ließ die Boshaftigkeit dieser Welt hinter mir zurück.

Lass dir niemals einreden, du seist ein schlechter Mensch. Niemand kann in dein Inneres blicken. Nur du selbst weißt, wer du wirklich bist. Lass dir nicht einreden, dass es jemand anderes besser wüsste!

© 2011 by Merci

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