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Gleißendes Licht, den ganzen Tag. Licht, dem man nicht entkommen kann. Nicht mal nachts, denn es gibt keine Nacht. Nur ein langer Tag, der nicht enden will. Es fühlt sich an, wie in einer fremden Welt, in einer anderen Dimension. Gefangen, gefoltert. Das Licht, das niemals versiegt. Grauweißes Licht am Morgen, grauweißes Licht am Mittag, am Abend und selbst in der Nacht. Gleiches Zwielicht 24 Stunden lang, jegliches Zeitgefühl habe ich bereits verloren. Nur eine Uhr an der Wand, die mich verhöhnt, verkündet die Zeit. So wünsche ich mir doch ein Zeichen herbei.

Ein Zeichen, welches Leben verkündet. Ein Zeichen, das diesen tristen Tag durchbricht. Oder sind schon zwei, drei Tage vergangen? Ich weiß es nicht mehr. Irgendwann gehe ich baden, duschen und anschließend ins Bett. Ich erwache am nächsten Morgen und es ist immer noch das gleiche Licht. Woher soll ich wissen, ob der Tag wirklich vergangen und ein neuer angebrochen ist, wenn die Sonne nicht untergeht? Woher soll ich wissen, dass ich wirklich noch am Leben bin? Am Leben auf dieser Welt, sowie ich sie kenne. Oder bin ich mittlerweile nur der Spielball in einem kranken Experiment? In einem Experiment, in dem mir die Zeit gestohlen wurde.

Die Uhr verkündet Mitternacht, doch die Sonne steht immer noch über dem Horizont und wirft ihr gleißendes Licht aufs Land. Es ist so hell draußen, so hell wie schon die letzten acht Stunden. Ich wandere draußen umher, laufe durch den Wald, hinunter zum See. Bin auf der Suche. Ja, auf der Suche nach was eigentlich? Nach der Dunkelheit? Die Dunkelheit, die das Ende des Tages ankündigt? Die Dunkelheit, die uns runterkommen und innehalte lässt. Die Dunkelheit, die uns friedvoll den Schlaf bringt. Heißt es doch nicht umsonst 'Abendruh'. Aber was, wenn der Abend nicht kommen will? Was definiert den Abend? Nur die Uhrzeit? Die Stellung der Zeiger auf einer Uhr? Oder doch das Schwinden des Lichts? Das Gefühl, das damit einkehrt. Und was, wenn die Nacht keine Nacht ist?

Ich laufe immer noch umher, zwei Stunden sind vergangen und die Sonne steigt schon wieder. Ohne hinter dem Horizont verschwunden zu sein, nimmt sie weiter ihren Lauf und ich kehre zurück in meine Hütte. Ich springe noch schnell unter die Dusche und lege mich schlafen. Zumindest versuche ich es. Doch die schweren Gardinen lasse immer noch zu viel Licht ins Zimmer. Selbst ein Kissen über den Augen nimmt mir nicht dieses schreckliche Gefühl. Das Gefühl im puren weißen Licht zu ertrinken. Es ist nicht vergleichbar mit einen Sonnenbad, das sich nach warmen, goldenem Licht anfühlt, das die Seele erfüllt. Das hier ist anders, schlimmer. Viel schlimmer! Es ist ein gleißendes, kaltes Licht. Ich glaube, so fühlt es sich an, wenn ein Vampir im Tageslicht verbrennt. Ich verspüre dieses Licht als Schmerz auf meiner Haut, es dringt in jede Pore ein. In jede Faser meines Körper und verschlingt mich von innen hinaus.

Irgendwann übermannt mich der Schlaf, zumindest für eine kurze Zeit. Dann wache ich auf, liege noch immer im gleißenden Licht. Ich ziehe den Vorhang zurück und blicke hinaus. Das gleiche Licht, die gleiche Intensität, nur sechs Stunden später. Acht Uhr am Morgen, ein neuer Tag. Ein weiterer Tag, den es zu überstehen gilt. Die Zeitspanne, die mein Kopf unterhalten werden will, scheint ewig zu sein. Doch nichts zu tun, was den Geist fördern könnte. Kein TV, kein Internet und kein Handy! Diese und noch weitere kleinen Dinge, die mittlerweile so alltäglich sind, gibt es hier nicht. Das alltägliche ist so weit weg, es scheint aus einer anderen Welt zu stammen. Für die Menschen, die hier leben scheint dies alles nicht wichtig zu sein.

Das, was man unserem Leben gar nicht mehr wegdenken kann oder will, wird hier gar nicht erst gebraucht. Hier ist die Welt friedlicher, wenn auch viel rauer. Hier geht es um wichtigere Dinge. Hier werden die Tage genutzt, hier wird noch hart angepackt. Hier dreht sich die Erde langsamer, hier scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Und doch ist das Leben vergänglich und alles ein Wettlauf gegen die Zeit. Wann haben wir eigentlich angefangen, uns die Zeit zum Feind zu machen? Sollten wir nicht mit ihr laufen als gegen sie anzukämpfen? Vielleicht würde das etwas mehr Harmonie bringen. Auch in unserer Welt, die stetig stressiger wird. Wir rasen, hasten durch den Tag, sind ständig in Eile und haben letztendlich doch keine Zeit. Nicht einmal für die schönen Dinge im Leben. Es ist immer noch die Uhr, die uns verhöhnt. Hat man in der Großstadt, in der City, so gar keine Zeit, so scheint sie hier für mich gar nicht vorbei gehen zu wollen.

War es doch mein sehnlichster Wunsch einmal hier zu sein. Hier in diesem Land so fern von zu Hause und meinem Ziel so nah. Gab es nicht in der Vergangenheit diesen Traum? Natürlich gab es ihn! Und jetzt ist er erfüllt. Wie geht es nun weiter? Wollte ich nicht vor 15 Jahren schon hierher? Natürlich wollte ich das! Gab es nicht sogar den fernen Wunsch immer hier zu leben? Im hohen Norden, in dem Land, das eigentlich von Dunkelheit geprägt ist. Doch die letzten Tage war nicht dunkel. Ganz im Gegenteil! Befürchtete ich damals hier in Depression und Finsternis zu versinken, mir nach maximal einem halben Jahr des Leben zu nehmen. So muss ich nun feststellen, dass ein Leben ohne Nacht viel schlimmer ist.

Auch wenn man hier des Gefühl hat, die Zeit würde still stehen, so steht sie natürlich nicht still. Auch wenn hier Autofahrten wie kleine Zeitreise sind, Zeitreisen in die Zukunft. Denn nirgends vergeht die Zeit hier so schell wie im Auto. So kommt auch hier irgendwann die Nacht zurück. Und auch wenn es noch einige Wochen und Monate dauern wird, sie wird kommen. Denn die Zeit steht nicht still, nirgends auf der Welt. Auch nicht hier.

Langsam dämmert es. Es ist draußen dunkel. Endlich mal wieder! Ich laufe hinaus, hinunter auf die Straße. Ich breite die Arme aus und drehe mich im Kreis. Ich fühle die Freude in meinem Herzen. Ich spüre wie die Dunkelheit mich umgibt. Sie umschließt mich sanft und mein Herz es lacht. Ich drehe mich immer schneller und fühle mich endlich frei! Endlich befreit und endlich wieder zu Hause!

© 2016/17 by Merci

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