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Ich schließe die Augen und ich sehe dich. Immer und immer wieder. Du verfolgst mich bei Tag und auch bei Nacht. Ich kann nicht mehr schlafen, denn du bist in meinen Träumen. Du verwandelst jeden Traum in einen Alptraum, aus dem ich schreiend erwache. Dann liege ich schweißgebadet in meinem Bett und versuche krampfhaft wach zu bleiben. Ich möchte nicht zurück in meinen Traum, zurück zu dir. Ich kneife mich, ich schlage mich und alles nur, um mich nicht erneut vom Schlaf einlullen zu lassen. Um nicht wieder in das Reich deiner Träume eintauchen zu müssen.

Hierzu ist mir jede Methode recht, solange ich den Kampf gewinne. Den Kampf gegen den Schlaf, welchen ich eigentlich so dringend bräuchte. Du raubst mir meinen Schlaf und mit jeder weiteren Nacht, die vergeht, stiehlst du mir die Energie, die ich zum Leben brauche.

Ich kann nicht mehr essen, denn ich denke bei jedem Bissen an dich. Ich sehe deine Augen auf meiner Gabel, die mich traurig anblicken. Ich sehe dich auf meinem Teller und sogar in meinem Essen. Und wenn ich dich dort sehe, dann möchte ich mich einfach nur noch übergeben. Du verdirbst mir den Appetit! Du verhinderst, dass ich bei Kräften bleibe. Du lässt mich hungern und ich fühle mich schwach und kraftlos.

Ich bin ein nervliches Wrack geworden und kann nicht mehr aus dem Haus gehen. Bei jedem Geräusch schrecke ich zusammen. Ich habe Angst, dass du mir auflauerst. Bei jedem Schritt, den ich durch leere Gassen mache, sinkt mein Mut. Ich drehe mich immer wieder um. Doch niemand ist hinter mir, geschweige denn in meiner Nähe. Du bist nicht hier und doch bekomme ich Panik und möchte fliehen.

Wieder drehe ich mich um. Wieder niemand da! Und doch spüre ich dich! Ganz deutlich, ganz dicht in meinem Nacken. Du bist hier! Auch wenn ich weiß, dass du nicht hier sein kannst, denn du bist tot! Ich habe dich getötet. Eine Woche ist es jetzt her und ich bin am Boden zerstört. Sieben Tage und meine Nerven versagen. Ich sage es mir immer wieder: „Es sind nur die Nerven! Tote können nicht auferstehen, zurückkommen oder umherwandeln!“

Doch ich fühle mich nicht mehr sicher, selbst zu Hause nicht. Ich bin ein Gefangener meiner eigenen Ängste. Wohin ich auch schaue, sehe ich dein Gesicht. Es überlagert sogar mein Spiegelbild und grinst mich hämisch an. So als wüsstest du, wie sehr ich leide und welche Ängste ich verspüre. Natürlich weißt du es, denn du bist es, der mich quält! Es macht dir Spaß und du genießt es! Doch du bist tot und du solltest gar nichts mehr wissen und genießen können. Du liegst begraben unten am Fluss. Niemand wird dein Grab finden und niemand wird dich vermissen! Denn niemand interessiert sich für deinen Tod. Das ist der einzige Vorteil, den ich habe. Niemand hatte sich je für dich interessiert!

Du hattest Schande und Leid über mich gebracht. Du hattest mich gedemütigt und meine Würde mit Füßen getreten. Du hattest weder Respekt noch Achtung vor mir. So musste ich mich von dir trennen! Du wolltest mich nicht gehen lassen und hattest mir leider keine andere Wahl gelassen. Das Schlafmittel in deinem Essen hattest du nicht einmal bemerkt. Friedlich warst du eingeschlafen und ich konnte dich erschlagen und vergraben. Es war so einfach gewesen, viel zu einfach.

Jetzt verfolgst du mich und lässt mich nicht mehr zur Ruhe kommen. Ich kann deine Anwesenheit deutlich spüren. Es fröstelt mich und meine Härchen stellen sich auf. Die Luft im Raum ist elektrisiert. Doch weiß ich, dass ich mir alles nur einbilde. Meine Phantasie spielt mir Streiche. Die Nerven gehen mit mir durch und mein Gewissen quält mich. Es schreit nach Reue, doch ich bereue nichts. Ich würde gerne sagen, dass es mir Leid tut. Doch es tut mir nicht leid! Ich würde gerne sagen, dass es mir endlich gut geht und noch nie besser ging! Jeder Schlag auf dich war eine Befreiung, jeder Schaufelhieb ein weiterer Schritt in die Freiheit.

Ich wünschte, ich könnte diese Freiheit genießen. Doch jetzt sitze ich auf dem Bett, starre an die Wand und denke wieder nur an dich! Ich schaue zum Spiegel und ich sehe dich. Dein Gesicht starrt mich an, starrt auf mich zurück. Dein Bild hat sich in meine Seele eingebrannt. Wutentbrannt zertrümmere ich den Spiegel und hoffe, dass es aufhört. Ich kann nicht mehr! Ich will nicht mehr! Das ist doch kein Leben! So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Es sollte doch alles besser werden! Ich wollte frei sein! Einfach nur frei sein.

Doch es wird niemals aufhören! Ich höre deine Stimme, die mich ruft. Ich schreie und du fängst an zu lachen. Ich drehe mich im Kreis, immer und immer wieder. Dein Lachen wird lauter und schriller, bis es den ganzen Raum ausfüllt. Ich kann nichts anderes mehr wahrnehmen. Da bist nur noch du! Mir wird schwindelig und ich stürze zu Boden. Alles dreht sich und du bist überall um mich herum: dein Gesicht, deine Stimme und dein Lachen. Du lachst mich aus! Zusammengekrümmt liege ich am Boden und versuche mir die Ohren zu zuhalten.

Ich frage mich, wo du bist. Solltest du nicht unter der Erde liegen, unten am Fluss? Aber du bist hier, und doch ist das alles nur in meinem Kopf! Auch wenn es nicht sein kann, so spüre ich, wie du deine Hände nach mir ausstreckst. Wie sich deine Finger nach mir rekeln. Du bist gekommen, um mich zu holen. Sieben Tage nach deinem Tod. Sieben Tage Freiheit, die meinen Verstand gekostet haben. Sieben Tage, die mich zu meinem eigenen Gefangenen gemacht haben.

Ich kann nicht mehr! Ich werde nicht zulassen, dass du mich bekommst. Ich rolle mich zur Seite und öffne den Nachttischschrank. Darin liegt mein Schutz. Ein kleiner Revolver, der mich vor den Gefahren des Lebens schützen sollte. Doch leider bist du keine wirkliche Gefahr, denn du bist nicht mehr am Leben, schon seit sieben Tagen nicht mehr!

Seit sieben Tagen kannst du niemandem mehr Schaden zufügen. Dennoch habe ich nie schlimmer gelitten, als in der letzten Woche. Nie war meine Angst größer gewesen. Nie war ich mehr von Panik erfüllt! Noch nie in meinem Leben hatte ich Todessehnsucht empfunden, doch weiß ich, dass dies der einzige Ausweg ist. Ich bin am Ende meiner Kraft! Körperlich wie auch psychisch. Ich kann keinen Schritt mehr gehen, keinen klaren Gedanken mehr fassen. Hier endet mein Weg und mit einem lauten Knall beende ich mein ganzes Leid und versinke in der Stille.

Lautlos kehre ich heim und folge dir in den Tod, nur sieben Tage später. Einfach und allein, gepeinigt von meinem eigenen Geiste. Denn der größte und älteste Feind ist man sich doch immer noch selbst.

© 2010 by Merci

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